Brainhacking: „Die Zukunft gehört denen, die ihre Hirnleistung mit Hilfe der Medizin und der Technik boosten. Welcome to the world of selfcraft”.
Dies ist eine These von Wirtschaftswoche-Herausgeberin Miriam Meckel.
Nootropica (Mittel zur Hirnleistungssteigerung), Brain-Enhancer und Hirn-Stimulantien finden reißenden Absatz.
Rekordabsätze finden dabei nicht nur Omas Klassiker gegen Vergesslickkeit wie Gingko-Extrakte, sondern vor allem neue, noch nicht klinisch geprüfte Substanzen oder ohne Langzeitstudien zu Nebenwirkungen.
Dies jedenfalls weiß Wikipedia und zitiert eine Recherche des englischen Guardian, der bereits 2014 über einen beängstigenden Anstieg des Verbrauchs beziehungsweise illegalen Verkaufs von Hirnstimulantien berichtet hat.
„Mein Kopf gehört nicht mehr mir“
„Mein Kopf gehört nicht mehr mir – Brainhacking und Selbstoptimierung“ betitelte Miriam Meckel ihren Vortrag bei der re:publica 2017.
Was geht bereits heute schon? Möglich ist es beispielsweise die eigenen Gehirnfunktionen – das eigene Denken – zu verfolgen und zu erfassen. Möglich ist es ebenfalls, diese Funktionen zu verbessern und zu manipulieren.
Denn: „Es geht nicht nur darum, dass wir feststellen, was in unserem Kopf abgeht, sondern es geht darum, uns mit anderen zu vergleichen und zu messen und unsere Hirnleistung in Bezug darauf, was bei den anderen abgeht, verbessern “, sagt Miriam Meckel.
Da kommt doch das kleine Gerät für rund 300 Dollar mit dem man die Stimmung auf Knopfdruck wahlweise auf „entspannt“ oder „konzentriert“ einstellen kann, gerade richtig, um beim Vergleich mit den Kollegen besser abzuschneiden. Natürlich wird das Gerät ohne Zertifizierung durch die Gesundheitsbehörden verkauft.
Es geht weiter:„Der nächste heiße S…ß ist das Interface Denken“, weiß Miriam Meckel. Sie hat die neue Technik auch schon ausprobiert. „Es erfordert noch viel Konzentration, aber es funktioniert bereits“, sagt sie.
Das derzeitige Ziel der Entwickler liegt bei 100 Worten in der Minute.
Das Denken in die Elektronik hinein ist jedoch nur ein Zwischenschritt. Der allerdings gerade im medizinischen Bereich riesige und segensreiche Erfolge zeigt.
Als nächster Schritt darauf folgen könnte der umgekehrte Weg: Person A denkt seine Message, die Person B mit Hilfe seines Hirnimplantates dechiffrieren kann.
Auch hier macht die Technik gute Fortschritte. Der farbenblinde Künstler Neil Harbisson beispielsweise, kann über eine implantierte Antenne die Schwingungen von Farben empfangen. Und in einem Experiment konnten Ratten mit Hilfe von Hirn-Implantaten, Dinge, die nur eine von ihnen gelernt hatte, austauschen. Das erste bioneuronale Netzwerk also.
Dystrophie oder Chance?
Miriam Meckel zeichnet eine Zukunft, die einem dystrophischen Roman entspringen könnte. „Unser Menschenbild wird sich verändern. Der geistige Mensch ist derjenige, der sein Hirn als Produktivkraft nutzt um in einer „World of Selfcraft“, einer Welt der permanenten neuronalen Selbstverbesserung, zu bestehen, derjenige der es schafft, seine Aufmerksamkeit so zu boosten , dass sie im Wettbewerb mit anderen mithalten kann.“
Aber: „Die Fähigkeit in einem Wettbewerb der manipulierten Hirne zu bestehen hängt vom Geld ab. Wenn ich das Geld habe um mir ein entsprechendes Gerät zu kaufen, dann kann ich in Zukunft im Wettbewerb mithalten.“ Ein Neuro-Divide – die Zweiklassengesellschaft derjenigen, die ihre Hirne manipulieren, gegen diejenigen, die das nicht wollen oder können, könnte sich dabei durchaus abzeichnen.
Eine andere Frage: „Haben wir dann noch die Freiheit uns aus der gedanklichen Hirnmanipulation auszuklinken und welche Chancen habe ich dann in einem Leben mitzuhalten, das ganz wesentlich von der Beeinflussung der Hirnleistung abhängig ist.“
Und um Neil Harbisson zu zitieren: „Es lässt sich nicht abschalten“.
Miram Meckel hat Fragen formuliert die uns allen unter den Näglen brennen sollten.
Lasst uns drüber nachdenken!
Hier gehts zum Mitschnitt von der re:publica:
Titelfoto: Gerd Altmann via Pixabay, Portrait M.Meckel: Claude Stahel
Update vom 2.6.2017: Gerade flattert ein Artikel der NYTimes in mein Postfach: Gestern sei eine Studie veröffentlicht worden, bei dem es möglich ist, das Gehirn auch ohne Implantate zu beeinflussen. Die Studie spricht von guten Erfolgen bei der Parkinsonschen Erkrankung, Depressionen und kompulsiv/obsessiven Störungen.